Kämpfe um Tucho - Ein Tagungsrückblick

Von Frank-Burkhard Habel

Wieder einmal trafen sich Mitglieder und Interessierte in Berlin zur Jahrestagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft in der Zentral- und Landesbibliothek, die mit der Verleihung des Kurt Tucholsky-Preises an diesmal zwei Preisträger im Deutschen Theater endete. Mit rund 70 Teilnehmern pro Tag war sie sehr gut besucht, trotz der den Eingang zur Tagungsstätte in der Breite Straße versperrenden Straßenbauarbeiten. Zur sehr gut gelungenen Matinee im Deutschen Theater, gestaltet von Volker Kühn, kam leider weniger Publikum. Allen denjenigen, denen eine Teilnahme an der Tagung - aus welchen Gründen auch immer - verwehrt war, sei die Tagungs-Betrachtung von Frank-Burkhard Habel, bereits im »Blättchen« erschienen, nahegebracht.

In diesen Wochen ist der Name Kurt Tucholsky in der deutschen Hauptstadt in aller Munde. Und er hat es nicht leicht. Gerade jetzt, da Bundeswehreinsätze im Ausland gegen den Widerstand von links erneut legitimiert wurden, hatte die Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft ein brisantes Thema. Ausgangspunkt war ein Satz, den er als Ignaz Wrobel 1925 schrieb: »Der moderne Krieg hat wirtschaftliche Ursachen. Die Möglichkeit, ihn vorzubereiten und auf ein Signal Ackergräben mit Schlachtopfern zu füllen, ist nur gegeben, wenn diese Tätigkeit des Mordens vorher durch beharrliche Bearbeitung der Massen als etwas Sittliches hingestellt wird. Der Krieg ist aber unter allen Umständen tief unsittlich.«

Die Tagung machte deutlich, dass Tucholsky einen Weg der Erkenntnis durchlief, bis er zu dem Pazifisten wurde, als der er in den zwanziger Jahren galt. Doch er war auch nicht blind gegenüber der Notwendigkeit zu kämpfen, schon vor der Machtübernahme der Nazis. Eine Diskussionsrunde, an der unter Eckart Spoos Leitung die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch (Die Linke), Oberstleutnant Jürgen Rose vom Arbeitskreis Darmstädter Signal, Oberstleutnant Uwe Ziesak vom Standortkommando der Bundeswehr in Berlin sowie Helmut Kramer, Gründer des Forums Justizgeschichte, teilnahmen, rückte Tucholskys Haltung in die Gegenwart. Bezeichnend war, dass verschiedene prominente Politiker der Regierungsparteien ihre Teilnahme an der Diskussion abgesagt hatten. Hatte Tucholsky nicht gesagt: »Soldaten sind Mörder«?

Der Tucholsky-Preis für literarische Publizistik wurde trotz einer relativ kleinen Preissumme von 3000 Euro (Stifter sind in den letzten Jahren immer wieder abgesprungen) in einer doch großen Veranstaltung im Deutschen Theater Berlin verliehen. Zu gleichen Teilen erhielten ihn je ein Autor aus Ost und West, die beide als ausgewiesene Kriegsgegner oft genug mit satirischen und polemischen Texten in der »Weltbühne« oder in »Pardon« in den vergangenen Jahrzehnten hervorgetreten waren: Lothar Kusche und Otto Köhler. Laudatoren waren Gisela May und Gerhard Zwerenz, und bei all den launigen Reden und Danksagungen hatte man manchmal das Gefühl, die Herrschaften hatten Tucholsky verinnerlicht: »Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir lohnen.«

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