Rundbrief der Kurt Tucholsky-Gesellschaft
- März 2003-

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1. Die KTG zum Irak-Krieg
2. Die Tucholsky-Gedenkstätte in Rheinsberg
3. Aktivitäten der Tucholsky-Schulen
4. Vereinsnachrichten
5. Dies und das

 

 
  Die KTG zum Irak-Krieg

Stellungnahme der KTG zum Verhalten der Bundesregierung

Angesichts des zum damaligen Zeitpunkt bereits drohenden Irakkrieges hatte der Vorstand auf seiner Sitzung am 18. Januar 2003 beschlossen, einen Brief an den Bundeskanzler zu verfassen, in dem die politische Marschrichtung der Bundesregierung in Bezug auf den drohenden Krieg unterstützt werden sollte. Den Inhalt dieses Briefes wollen wir unseren Mitgliedern nicht vorenthalten:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft begrüßt die von Ihnen und der Bundesregierung wiederholt bekräftigte Haltung zur Nichtbeteiligung Deutschlands an der von den USA geplanten militärischen Intervention im Irak. Der Vorstand vertraut darauf, daß sie diese Position weiter beibehalten. Er vertritt mit Nachdruck die von Kurt Tucholsky bereits 1925 formulierte Wahrheit:

"Der moderne Krieg hat wirtschaftliche Ursachen. Die Möglichkeit, ihn vorzubereiten und auf ein Signal Ackergräben mit Schlachtopfern zu füllen, ist nur gegeben, wenn diese Tätigkeit des Mordens vorher durch beharrliche Bearbeitung der Massen als etwas sittliches hingestellt wird. Der Krieg ist aber unter allen Umständen tief unsittlich."

Unmittelbar nach Ausbruch des Irak-Krieges wandte sich der Vorstand abermals an den Bundeskanzler. Auch den Wortlaut dieses Briefes wollen wir Ihnen nicht vorenthalten:

An den Bundeskanzler
der Bundesrepublik Deutschland
Herrn Gerhard Schröder
Berlin

23. März 2003

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft ist entsetzt und empört über den militärischen Einmarsch der USA im Irak. Dieses gegen alle menschliche Vernunft und Erfahrung gerichtete, gegen den Protest vieler Völker und Regierungen ohne Mandat der UNO ausgelöste Vorgehen stellt einen eklatanten Bruch des Völkerrechts dar und birgt die Gefahr in sich, die Welt an den Rand eines neuen Völkermordens oder gar einer nuklearen Katastrophe zu führen.

Unsere Gesellschaft - dem Namen und Wirken des streitbaren Humanisten und Pazifisten Kurt Tucholsky verpflichtet - unterstützt die Haltung der Bundesregierung zur Nichtbeteiligung deutscher Truppen an der völkerrechtswidrigen Intervention im Irak. In tiefer Sorge wegen der militärischen Eskalation im arabischen Raum und die dadurch eingetretene Bedrohung zivilen Lebens erwarten wir jedoch auch, dass die Bundesregierung alle Zugeständnisse und Zusicherungen zurück zieht, die der direkten oder indirekten Unterstützung der Angreifer dienen. Die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und unseres Grundgesetzes zu einem Angriffskrieg können nicht durch Bündnisverpflichtungen abgelöst werden.

Wir identifizieren uns mit der Auffassung unseres Namensgebers, dass es in der Haltung zum Krieg für einen anständigen Menschen nur einen Vorwurf geben kann: den, nicht von Anfang an "Nein ! " gesagt zu haben.

Wir vertrauen darauf, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, dass unsere Regierung weiterhin in diesem Sinn wirken wird.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Eckart Rottka Iris Günther Wolfgang Helfritsch


 
  Die Kurt Tucholsky Gedenkstätte im Schloss Rheinsberg

Im Spätsommer 1911 verbrachte der 21-jährige Jura-Student Kurt Tucholsky, Sohn aus bürgerlich-jüdischem Hause, ein paar verliebte Tag in Rheinsberg. Die Erzählung "Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte" erschien 1912 und begründete Tucholskys Ruhm. Gabriele Tergit nannte sie den "Jungen Werther für die Generation, die in den Weltkrieg zog". Noch heute behauptet das Städtchen Rheinsberg, seine Aura aus dem Lebensgefühl der Erzählung zu beziehen.

Die Dauerausstellung

Die heutige Gedenkstätte - das einzige Museum zu Tucholsky in Deutschland - ist ein Zentrum für Literatur und Kunst in der nordbrandenburgischen Region. Am 27. April 1991 wurde in der Kurt Tucholsky Gedenkstätte die erste öffentliche Ausstellung eröffnet.

Nach einer Sonderausstellung über Kurt Tucholsky (Juni 1992 bis Juni 1993) präsentiert die Gedenkstätte seit Oktober 1993 eine eigene Tucholsky-Ausstellung. Sie wirft Schlaglichter auf verschiedene Aspekte seines Lebens und Schaffens. Die Rheinsberg-Erzählung spielt eine Rolle, daneben werden andere Schwerpunkte gesetzt: Die Metropole Berlin und das Kabarett der 20er Jahre, Tucholskys Engagement in der "Nie-wieder-Krieg"-Bewegung, die "Weltbühne", seine friedenstiftende Arbeit in Frankreich und sein programmatisches Schweigen im Exil in Schweden. Tucholsky wird als ein Autor gezeigt, der die Risse seiner Zeit in sich austrug, der in den gesellschaftlichen Gegensätzen nach Lösungen suchte und oft genug noch heute gültige Fragen formulierte. Die Ausstellung präsentiert neben einer biografischen Übersicht Dokumente und Texte von Kurt Tucholsky, Vertonungen seiner Chansons können gehört und die Verfilmungen seiner Rheinsberg- und Gripsholm-Geschichten angesehen werden.

Zu dieser Ausstellung wurde eine Zeitung "Pseudonym" mit Texten des Autors herausgegeben. Inzwischen liegt eine weitere Katalog-Zeitung "Und immer sind da Spuren" mit einer Textauswahl und einer umfangreichen biografischen Übersicht vor.

Literatur-Ausstellungen

Ein Schwerpunkt der Galeriearbeit bilden Literatur-Ausstellungen. 1995 wurde eine umfassende Ausstellung "Christa Wolf, Gerhard Wolf - unsere Freunde, die Maler" gezeigt, die später von mehreren Ausstellungshäusern in Deutschland übernommen wurde, 1996 eine über Peter Huchel. 1998 wurden Kurt Tucholsky und Theodor Fontane präsentiert, 1999 der fast vergessene expressionistische Dichter und Menschenrechtsaktivisten Armin T. Wegner, der in den 20er Jahren mit der Dichterin Lola Landau im nahegelegenen Neuglobsow lebte, vorgestellt. Im Jahr 2000 fanden eine Ausstellung mit Portraits und Pressezeichnungen der 20er Jahre aus der Feder von Emil Stumpp statt und eine Literaturausstellung über den Dichter und Hörspiel-Autor Günter Eich statt, die - wie bereits die Huchel-Ausstellung - vom vom Brandenburgischen Literaturbüro und der Geschäftstelle Märkische Dichterlandschaft erarbeitet worden war.

Literaturprogramm

Monatlich findet eine Lesung statt, zu der Autoren neu erschienener Bücher eingeladen werden. Zu Gast waren unter anderen Jan Faktor, Detlef Opitz, Gerhard Falkner und Selim Özdogan, Louis Begley, Reinhard Lettau, Friedrich Schorlemmer, Franz Mon, Günther Grass, Christa Wolf, Adolf Endler, Volker Braun, Alissa Walser, Peter Bichsel, Fritz J. Raddatz, Christian Graf von Krockow, Wolfgang Hilbig, Günter de Bruyn, Carola Stern u.v.a.

Literarisch-musikalische Programme stehen in der Tradition der Kabarett-Kunst Tucholskys und seiner Zeitgenossen wie Klabund und Ringelnatz, literarische Tagungen und Podiumsdiskussionen reflektieren gegenwärtige Probleme und Debatten.

Bildende Kunst

Zur Gedenkstätte gehört auch eine Galerie für Bildende Kunst, in der jährlich mehrere Ausstellungen stattfinden. Präsentiert wurden

Werke von Joseph Beuys, Heinz Mack, Manfred Butzmann, Dieter Goltzsche und Günther Uecker, A.R. Penck, Georg Baselitz, Jörg Immendorf, Dieter Goltzsche, Hartwig Hamer, HAP Grieshaber, Martin Hoffmann, Hanfried Niemann und Tony Torrilhon, u.a. Die Vernissagen sind ebenso wie die Lesungen Höhepunkte im gesellschaftlichen Leben der Stadt und der Region.

Archiv

Die wissenschaftliche Arbeit der Gedenkstätte basiert auf dem Archiv zu Tucholsky, zu Siegfried Jacobsohn und der literarischen Publizistik der 20er Jahre. Zum Bestand gehören neben Erstausgaben und einigen persönlichen Dokumenten ein umfangreiches Foto-Archiv und Kopien von Briefen und Dokumenten von Tucholsky, von Siegfried Jacobsohn und Carl von Ossietzky. Die Bibliothek umfasst ca. 1.500 Medien.

1998 konnte der Öffentlichkeit eine umfangreiche Recherche über die deutsch-jüdische Ärztin Else Weil vorgestellt werden, Tucholskys erste Ehefrau (und das Vorbild der "Claire" aus seiner Rheinsberg-Erzählung), die 1942 in Auschwitz ermordet wurde.

2000 erschien die erste Biografie über den Gründer und Herausgeber der "Weltbühne" Siegfried Jacobsohn, verfasst von der Berliner Literaturwissenschaftlerin Stefanie Oswalt. Ausgangspunkt ihrer Recherchen war das Rheinsberger Archiv.

Stadtschreiber

1995 initiierte die Kurt Tucholsky Gedenkstätte ein Stadtschreiber- Stipendium. Jährlich werden durch eine Jury zwei Autoren zu einem fünfmonatigen Arbeitsaufenthalt nach Rheinsberg eingeladen. Der Stadtschreiber erhält freie Wohnung im Kavalierhaus der Schlossanlage und eine monatliches Stipendium. Am Ende stellt er die neu entstandenen Texte bei einer öffentlichen Lesung vor und diskutiert über seine Erfahrungen.

Von jedem Stadtschreiber wird eine kleine Broschüre unter dem Titel "Rheinsberger Bogen" mit den entstandenen Texten gedruckt. Unterstützt wird das Projekt vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin.

Stadtgeschichte

Ein weiterer Arbeitsbereich ist der Aufbau einer Rheinsberger stadtgeschichtlichen Sammlung mit Dokumenten zur Alltagskultur der Stadt und zum einheimischen Gewerbe. Diese werden in kleineren Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Sammlung umfasst Bestände von regionalgeschichtlicher Literatur (ca. 200 Medien), thematisch gegliederten Dokumentensammlungen, Zeitungsausschnittsammlung, Video-Dokumentationen und Objekten. 1996 wurden drei Briefe Theodor Fontanes an den Rheinsberger Magistrat von 1883 aufgefunden. Im Jahr 2001 wird durch eine ABM-Gruppe eine Dokumentation "Zwangsarbeit in Rheinsberg 1940-45" erarbeitet.

Tucholsky auf Reisen

Die Gedenkstätte stellt Materialien für Ausstellungen in Schulen, Vereinen und Bibliotheken bereit. Selbst zeigten wir 1995 eine Ausstellung zur Jahrestagung der Kurt Tucholsky Gesellschaft im Berliner Schloss Glienicke: "Kurt Tucholsky und das Judentum".

1997 erarbeitete die Gedenkstätte im Auftrag des Goethe-Instituts die biografische Ausstellung "Kurt Tucholsky - Und immer sind da Spuren". Sie wurde im Goethe-Institut und in der Universitätsbibliothek Amsterdam gezeigt. Diese Ausstellung wurde 1999 erweitert und ergänzt, und mit dem Titel "Kurt Tucholsky - Visages d´un Européen" im Goethe-Institut Paris gezeigt. Es folgten Ausstellungen im Goethe-Institut Bordeaux und im Goethe-Institut Lille.

Finanzierung

Die Projekte und Ausstellungen der Kurt Tucholsky Gedenkstätte werden finanziert durch Eintrittsgelder, durch einen kommunalen Zuschuss und durch Förderungen vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, vom Landkreis Ostprignitz-Ruppin und projektbezogenen Zuwendungen von der Stiftung Kulturfonds, der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten, der Landeszentrale für politische Bildung und der Goethe-Institute. Sponsoren sind die Siemens AG, die Mannheimer Versicherung, die Sparkasse Ostprignitz-Ruppin sowie Privatpersonen.

Leiter: Dr. Peter Böthig

Besucherzahlen: Die Gedenkstätte besuchen jährlich ca. 50.000 Menschen.

Öffnungszeiten: Täglich außer Montag von 9.30 - 12.30 Uhr und 13.00 - 17.00 Uhr.

Anfahrt: Rheinsberg liegt inmitten einer weitläufigen Wald- und Seenlandschaft ca. 90 km nördlich von Berlin. Mit dem Auto ist es über die A 24 (Berlin-Hamburg) aus zu erreichen, Abzweig Neuruppin, dann noch ca. 25 km in nordöstlicher Richtung. Zugverbindungen bestehen von verschiedenen Berliner Bahnhöfen.

Adresse:
Kurt Tucholsky Gedenkstätte im Schloss Rheinsberg
16831 Rheinsberg
Tel: 033931 - 39007
Fax: 033931 - 39103
http://www.rheinsberg.de/tucholsky
KTucholsky@rheinsberg.de
Spendenkonto: 182 000 3066, Sparkasse OPR (BLZ 160 502 02)

Roland Links


 
  Aktivitäten der Tucholsky-Schulen


Nachrichten aus der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule Minden

Zum ersten Mal fand auf Einladung der Mindener Kurt-Tucholsky-Schule und der Tucholsky-Gesellschaft (Berlin) am 11. Januar 2003 ein Treffen der Schulen statt, die sich mit der Wahl des Schulnamens dem literarischen und politischen Erbe des Schriftstellers besonders verbunden fühlen.

Bernd Brüntrup vom "Tucho"-Arbeitskreis der Gesamtschule sowie Brigitte Rothert und Wolfgang Helfritsch (KT-Gesellschaft) freuten sich, dass sie drei von sechs Schulen, die den Namen Kurt Tucholskys tragen, in der Mediothek der KTG begrüßen konnten: Ein Gymnasium aus Hamburg, eine Gesamtschule aus Krefeld und die Vertreter der Mindener KTG tauschten ein Wochenende lang Ideen und Erfahrungen untereinander aus. Die Mindener hatten es dabei besonders "einfach": Sie zeigten den Gästen die Stellen im Schulgebäude, an denen der Namensgeber "auftaucht": In der Schulstraße, im Eingangsbereich und auch in der Mensa stoßen Schüler, Eltern und Lehrer auf ihn. Die Vertreter der beiden Schulen aus Krefeld und Hamburg berichteten von ihren Initiativen an den jeweiligen Schulen. Beim gemeinsamen Gespräch wurden die Vertreter der drei Schulen sich schnell einig, dass sie es schon als eine Verpflichtung ansehen, in möglichst zwangloser Form die Ideen des "Meisters der kleinen Form", wie Tucholsky von manchen Kritikern gerne genannt wird, weiter zu tragen. "Dabei ist es mit dem obligatorischen Referat über Kurt wohl nicht getan!" betonte die Schülersprecherin der Krefelder Gesamtschule.

In Minden sind die Veranstaltungen zu Tuchos Geburtstag, an dem die Gäste teilnehmen konnten, und die Aktivitäten der Tucholsky-Bühne ein Beispiel für ein lebendiges und kreatives Engagement.

Klaus Lindemann (KTG Minden)

Vorurteilsabbau
Großer Tag der Kurt Tucholsky-Gesamtschule Krefeld

Beeindruckendes hat die Kurt Tucholsky-Gesamtschule in Krefeld auf die Beine gestellt: Am 20. Januar, zum Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wurde in der Schulaula der offizielle Festakt der Stadt Krefeld ausgerichtet. Das Schwerpunktthema war die Verfolgung von Sinti und Roma im Dritten Reich, ein, wie sich zeigte, wenig erforschtes, lohnenswertes und bis in aktuelle Entwicklungen hinein schockierendes Feld.

Nach einer längeren Vorbereitungszeit im Lehrerkollegium hatten einige intensive Projekttage und Aktionen verschiedener Kurse ein Programm hervorgebracht, das bei allen Besuchern Staunen hervorrief. Von einer Ausstellung der Geschichte der Roma und Sinti, die den Weg aus Indien bis in deutsche Beamtenstuben nachzeichnete, über literarische und szenische Darbietungen bis hin zu Klangcollagen, einer Umfrage, einem tragbaren Denkmal und einem begehbaren "Teufelskreis" hatten sich die Schüler intensiv mit einer Bevölkerungsgruppe auseinandergesetzt, die auch in der heutigen deutschen Gesellschaft auf eine Mauer aus Vorurteilen und Ablehnung stößt.

Geschichtslehrer Andreas Weinhold, aktives Mitglied unserer Gesellschaft, hat mit einigen seiner Kollegen versucht, mit diesen Vorurteilen aufzuräumen. Die Konfrontation ist geglückt. Dass das Schulprojekt ein voller Erfolg war, bestätigte nicht nur die Publikumsresonanz. Auch in den Reden des Bürgermeisters von Krefeld, Dieter Pützhofen, und dem NRW-Landesverbandsvorsitzenden der Sinti und Roma, Roman Franz, wurde deutlich, dass die Schüler ein problematisches Thema objektiv, sensibel und facettenreich darstellten. Musikalisch wurde die Veranstaltung von einer Kölner Gruppe begleitet, die bravourös den Spagat zwischen Trauer und Hoffnung mit ihrer Musik transportierte.

Die Gedenkstunde in der Gesamtschule hat gezeigt, wie aktiv und kreativ sowohl Kollegium als auch Schüler dieser nach Tucho benannten Einrichtung sein können. Niveauvoll und rund war der Nachmittag, und wir hoffen, dass uns dieses Potenzial auch in Zukunft immer wieder begegnet. Zur Jahrestagung der KTG in Berlin will Andreas Weinhold mit einer Schülergruppe anreisen. Wir haben viel zu erwarten.

Maren Düsberg


 
  Vereinsnachrichten

Bücherspende für Ustí nad Labem

Im letzten Heft hatten wir zur Bücherspende für die germanistische Fakultät der tschechischen Universität Ustí nad Labem (Aussig an der Elbe) aufgerufen. Die Resonanz war erfreulich: Vor allem Tucholsky-Primärliteratur sowie kulturwissenschaftliche und publizistische Sekundärliteratur fand sich in den Postsendungen. Und so konnte vor einigen Wochen das erste große Bücherpaket für die nordböhmische Industriestadt geschnürt und an die Institutsleiterin Frau Dr. Bergerova übergeben werden. Durch Ihre Spende wurden diverse Vakua in der Bereichsbibliothek des Fachbereichs aufgefüllt und einige interessante kulturwissenschaftliche Perspektiven geschaffen.

Frau Dr. Bergerova möchte sich auf diesem Wege ganz herzlich bei allen bedanken, die ihren Anteil dazu beigetragen haben, dass die Ausbildung von Deutschlehrern und -lehrerinnen an der Universität Ustí nad Labem trotz der immensen finanziellen Probleme nicht an Qualität einbüßen muss.

Der Vorstand der KTG möchte die Bücheraktion fortsetzen und bittet deshalb weiterhin um Zusendung von überschüssiger Primär- und Sekundärliteratur. Die Kontaktadresse lautet:

Uwe Wiemann
Düsseldorfer Str. 56
44143 Dortmund
0231/882 20 42
e-Mail: u_wiemann@gmx.de

Porträt: Philipp Heinisch

Ja, wir haben einen Künstler in unseren Reihen. Philipp Heinisch, eigentlich Jurist, hat sich nach gut 10 Jahren als Strafverteidiger auf die eher humoristische Seite seines Berufsfeldes konzentriert. 1984 begann er, Justizkarikaturen zu zeichnen und fand so zur Malerei. 1992 beendete er seine juristische Laufbahn und setzte sich fortan künstlerisch mit der Legislative auseinander. Über Zeichnungen, Radierungen und Drucke bis hin zu ganzen Büchern, aber auch Comics reichte die Vielfältigkeit seines Ausdrucks. Ausstellungen, vor allem in Justizgebäuden, waren die Folge.

Von 1999 an verlegte sich Heinisch auf großflächige, opulente Malerei und erweiterte auch die Thematik: Neben den justizbezogenen Werken entstanden Reise- und Landschaftsbilder.

Doch die humoristische Seite gibt es immer noch. Davon profitierte auch unser Mitglied Walter Jens, der am 8. März seinen 80. Geburtstag feierte. In Anbetracht der langjährigen intensiven Arbeit für unsere Gesellschaft hatte der Vorstand eine Karikatur bei Philipp Heinisch in Auftrag gegeben.

KTG Mitveranstalter der Tucholsky-Ausstellung in Trier

Die vor einiger Zeit in Saarbrücken eingeführte Ausstellung "Kurt Tucholsky - Gesichter eines Europäers" ist momentan in Trier zu sehen. Vom 9. März bis 9. April ist Tucho im Atrium der Volkshochschule Domhof "in Texten und Bildern" erfahrbar.

Zur Ausstellungseröffnung waren Dr. Peter Böthig und Gisela May anwesend. Böthig, Leiter der Rheinsberg-Gedenkstätte, hatte die Ausstellung ursprünglich konzipiert und war, wie schon in Saarbrücken, als fachkundiger Redner eingeladen. Gisela May untermalte die Eröffnungsfeier mit Tucholsky-Chansons und Liedern.

Die Trierer haben sich viel einfallen lassen. Neben Kabarett, Lesung und Liederabend wurde der Film "Schloss Gripsholm" gezeigt. Insgesamt lag und liegt der Schwerpunkt klar auf einem Brückenschlag zwischen Deutschland und Frankreich: Ein zweitägiges Fortbildungsseminar für Lehrer wurde für Teilnehmer aus Rheinland-Pflaz, Lothringen, Luxemburg und Wallonien angeboten, ein Symposium fand unter dem Titel "Tucholsky und die deutsch-französische Begegnung" statt. Für Jugendliche wird ein deutsch-französischer Schreibwettbewerb ausgelobt. Das Thema ist: "Tucholsky - heute noch lesbar?"

Informationen zur Veranstaltungsreihe finden Sie hier

Maren Düsberg

Neues Design

Die KTG wird schon bald in neuem Kleide daherkommen. Nach einem Vorstandsbeschluss werden wir uns vom alten Logo trennen und alle Mitglieder in Kürze mit einem neuen Markenzeichen überraschen! Wir hoffen natürlich, das dieser Schritt auf allgemeine Zustimmung stoßen wird.

Arbeitskreise

Wir möchten noch einmal daran erinnern, dass sich jedes Mitglied in unseren Arbeitskreisen engagieren kann. Wir nehmen gerne Unterstützung an; bitte wenden Sie sich dazu an die jeweiligen Ansprechpartner.
AK Schulen
Aufgabe: Kurt Tucholskys Leben, Werk und Engagement jungen Menschen nahe zu bringen, die Verbindung der KTG zu den Tucholsky-Schulen zu verbessern sowie den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu fördern.
Ansprechpartner: Wolfgang Helfritsch
AK Öffentlichkeitsarbeit/Presse
Aufgabe: Kontakte zu den Medien und anderen Multiplikatoren her zu stellen und zu pflegen, Redaktion des Rundbriefs und des Faltblattes.
Ansprechpartner: Anne Schneller, Maren Düsberg, Uwe Wiemann
AK Internet
Aufgabe: Die KTG-Homepage zu aktualisieren und zu pflegen, insbesondere Veranstaltungstermine (auch regionale) zu veröffentlichen, Tagungsbeiträge, Reden anlässlich der Übergabe des Kurt-Tucholsky-Preises u.a.m. zeitnah "ins Netz zu stellen".
Ansprechpartner: Iris Günther, Uwe Wiemann
 
  Dies und das

"Hier bin ich Mensch" - Tucholsky in Le Vésinet

Von Juni 1925 bis November 1926 lebte Tucholsky in Le Vésinet bei Paris. Diese Zeitspanne stand im Mittelpunkt der Ausstellung, die vom 7. bis zum 15. November 2002 in der Cite Internationale Universitaire de Paris (CDI) gezeigt wurde. Initiiert worden war sie von Axel Barner, "professeur d'allemand" am Lycee International. Realisiert werden konnte sie dank großzügiger finanzieller Unterstützung der Fondation DaimlerChrysler France und zahlreicher Leihgaben der Kurt Tucholsky-Gedenkstätte in Rheinsberg: Aus den "Gesichtern eines Europäers" wurden "Visages d'un Europeen". Musikalisch und rezitativ präsentierte zum Auftakt der Ausstellung das Berliner Kabarettisten-Duo Sebastian Birr und Jan Mareck das "Phänomen Tucholsky".
Anne Schneller

Oliver Steller in Dortmund

Wie kann man jungen Menschen Leben und Werk Kurt Tucholskys auf humorvolle, aber auch anspruchsvolle Weise näher bringen?

Diese Frage stellen sich bereits seit geraumer Zeit Pädagogen und Sendungsbewusste angesichts der beständig wachsenden Leseunwilligkeit vieler Jugendlicher. Oliver Steller hat Anfang Februar mit seinem Auftritt im Dortmunder Fritz-Henssler-Haus vorgemacht, wie es gehen kann. Sein Programm war eine unterhaltsame Mischung aus Chansons, Szenen und Gedichten, lose verbunden durch die Darstellung der Vita Tucholskys. Standen zu Beginn noch die politischen Texte im Vordergrund (beeindruckend: die von Steller selbst komponierte, blueslastige Neuvertonung des Chansons "Der Graben"), wurde bald der Blick gerichtet auf den zutiefst ambivalenten Menschen Tucholsky und seine differenzierte Beobachtungsgabe. Irgendwo zwischen Eitelkeit und Selbstironie, Ideal und Wirklichkeit oder auch Ironie und bitterem Ernst können die Texte positioniert werden, die Oliver Steller ausgewählt hatte, um einige beispielhafte Facetten aus dem Werk Tucholskys aufzuzeigen. Vor allem beim Vortrag des Textes "Ein deutsches Volkslied" offenbarte sich darüber hinaus das komödiantische Talent des Jazzmusikers und Rezitators aus Köln, der zur Zeit mit verschiedenen Programmen (u.a. "Erich Kästner", "Lyrik von Goethe bis heute", "Gedichte für Kinder") durch die Republik tourt.

Das Publikum war begeistert, der Bücher- und CD-Tisch schnell geleert. Wünscht man sich eine Veranstaltung, mit der das Interesse an Kurt Tucholsky geweckt werden kann: Hier ist sie. Und eine Multiplikatorenwirkung wird gleich mitgeliefert.

Uwe Wiemann

Gegen den Krieg

Unser Mitglied Susanna Böhme-Kuby hat zusammen mit italienischen Germanisten-Kollegen eine Erklärung verfasst, die im FREITAG in der Kolumne "Der Zeitungsleser" ausschnittweise abgedruckt und in der nächsten Ausgabe der "Blätter für deutsche und internationale Politik" veröffentlicht werden wird. Den vollständigen Text drucken wir - ins Deutsche übersetzt - gerne an dieser Stelle ab:

CONTRO LA GUERRA (Germanisti dell' AIG)
GEGEN DEN KRIEG
(Erklärung italienischer Hochschulgermanisten)

Mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende des sowjetischen Feindes ist die Allianz zwischen den USA und den europäischen Demokratien, die während des 20. Jahrhunderts im Kampf gegen Nationalsozialismus und Kommunismus entstanden war, brüchig geworden. Gegenüber der Gefahr eines internationalen Terrorismus, der nicht in einem oder mehreren Staaten lokalisierbar ist, unterscheiden sich die wirtschaftspolitischen Interessen der europäischen Staaten offensichtlich von der hegemonialen Politik der USA im Umgang mit dem Rest der Welt. Deutschland und Frankreich, die beiden Kernländer Europas, haben mit Unterstützung durch Russland und China der völkerrechtswidrigen amerikanischen Strategie eines Präventivkrieges Einhalt geboten. Diese Allianz zwischen jahrhundertelangen europäischen ,Erbfeinden' ist auch das Resultat der gemeinsamen Leiden in zwei blutigen Weltkriegen.

Von eben dieser historischen Erfahrung geht auch die mehrheitliche Ablehnung neuer Angriffskriege seitens aller Völker - nicht nur in Europa - aus. Als Kenner der deutschen Geschichte wissen wir, dass sich keine bundesdeutsche Regierung jemals so deutlich von der Politik der USA distanziert hat, jener Macht, der sie nach 1945 ihre Existenz verdankt, und deshalb möchten wir heute diesen schwierigen und mutigen Entschluss des Kanzlers Schröder politisch unterstützen. Der aus der traumatischen Erfahrung des Ersten Weltkriegs entstandene pazifistische Slogan "Nie wieder Krieg!" hatte seinen Widerhall nach dem Zweiten Weltkrieg im ausdrücklichen Aufruf zum Widerstand gegen künftige Mobilmachungen gefunden, wie ihn z.B. Wolfgang Borchert formuliert hatte: "...dann gibt es nur eins: Sag NEIN!"

Der im vorigen Jahrhundert von vielen Schriftstellern variierte Appell zum aktiven Widerstand gegen den Krieg, u.a. von Karl Kraus und Kurt Hiller bis Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht und Wolfgang Borchert, wird heute in Italien von vielen Arbeitern des Transportsektors befolgt, die sich weigern, Züge und Schiffe mit jener tödlichen Ladung zu befördern, die die Grundlage menschlichen Zusammenlebens zerstört.

Allein Bushs Ankündigung eines geplanten Angriffs auf den Irak hat zu tiefen Spaltungen und zur Freisetzung einer unberechenbaren politischen Dynamik nicht nur im nahen Osten geführt, sondern auch in Europa.

Die unmittelbare Zukunft Europas, der sich große Aufgaben stellen, wie die Integration zehn weiterer Staaten und die Ausarbeitung einer gemeinsamen Verfassung, hängt insbesondere davon ab, wie weit es den europäischen Staaten gelingen wird, die Bedingungen für eine gemeinsame Autonomie zu definieren, die in der Lage ist, eine immer stärkere Gleichberechtigung und den Frieden unter den Weltmächten zu garantieren. In diesem Sinne geben die Unterzeichner die Hoffnung nicht auf, dass die komplexe Gesamtlage im nahen Osten auf dem Verhandlungswege stabilisiert werden kann und dass die vom drohenden Krieg provozierte politische Spaltung durch den Aufbau eines demokratischen Europas überwunden wird, das allein auf der Grundlage des Friedens und der Zusammenarbeit zwischen allen Völkern existieren kann.

Erstunterzeichner:
Susanna Böhme-Kuby (Udine), Cesare Cases (Florenz), Paolo Chiarini (Rom), Anna Chiarloni (Turin), Giorgio Cusatelli (Pavia), Domenico Mugnolo (Bari), Präsident der AIG - Associaz. Italiana di Germanistica/Verband der Hochschulgermanisten Italiens, sowie ca. weitere 80 Kolleginnen und Kollegen.


Redaktion: Anne Schneller + Maren Düsberg