90 Jahre "Rheinsberg"

Die Bücherbar

  Eine Stunde vor der Lesung öffnet im Literaturhaus eine "Bücherbar", wo zu hochprozentiger Literatur die passenden Getränke ausgeschenkt werden. Eine Verkaufsidee, mit der Kurt Tucholsky im Dezember 1912 auf sein soeben erschienenes Büchlein aufmerksam machte.

"Aber wir haben uns auch auf den Kopf gestellt und haben um vorige Weihnachten einen Laden aufgemacht, den wir die ›Bücherbar‹ nannten und wo wir Bücher und Schnaps verschenkten. Da ging es ausgezeichnet, und vielleicht hat es sich ein bißchen herumgesprochen ..."

schrieb Tucholsky im September 1913 dem befreundeten Schriftsteller Erich Blaich, wobei er nicht unbescheiden auf die bereits dreitausend verkauften Exemplare hinwies.


Skizze der Bücherbar von Kurt Szafranski

Noch einmal acht Jahre später, zum fünfzigsten Tausend von "Rheinsberg", liest sich die Aktion bei Tucholsky wie folgt:

"Nun hatten wir damals auf dem Kurfürstendamm die ›Bücherbar‹ aufgemacht, einen richtigen Studikerunfug, über den sich die Leute halb krank ärgerten, weil wir ein polyglottes Schild am Laden hatten, darauf in allen lebenden und toten Sprachen - auch auf gemauschelt - zu lesen war, daß es darinnen billige Bücher zu kaufen gäbe. (Wir haben noch unser Goldenes Buch, in das sich die illüstern Gäste eintragen mußten: Carl Meinhard war da und Hardekopf und Ludmilla Hell und Schriftsteller, die überhaupt nicht schreiben konnten und sich doch eintrugen . . . Die feinern Herrschaften kriegten einen Schnaps.) Die Presse brachte sich um. Die ›Breslauer Zeitung‹ war dagegen, die ›Vossische‹ dafür, Prag und Riga verhielten sich neutral - die Ausschnitte sind noch da - und der ›Sankt Petersburger Herold‹ vom achtzehnten Dezember 1912 schrieb, wer einen Wilde erstehe, der bekäme Whisky Soda, und wer Ibsen kaufte, einen nordischen Korn. Das stimmte aber nicht - wir tranken selber. Und verkauften schrecklich viele ›Rheinsbergs‹. Also gut, wir gaben die Bücherbar wieder auf, weil ein guter Ulk immer ephemer ist, und die Zeiten gingen dahin."

Aus: "Rheinsberg". Erschienen in: Die Weltbühne, 8.12.1921, Nr. 49, S. 579-582